Aus den Lautsprechern ertönt leise Musik, gute Musik, aus der Ferne hört man das Quartier, Trams, Autos, Menschen, Lachen, Schreien, Leben. Die Zigarette in meinem Aschenbecher qualmt, ich qualme mit. Das Wochenende ist vorbei, eine neue Woche beginnt, wieder ein Wochenende voller verirrten Gesprächen, Alkohol, Zigaretten und Kater, Vergessen und Verzeihen.
So sitz ich hier in meinem neuen Zimmer, das ich vor zirka 2 Wochen neu bezogen habe. 5 Meter weiter, 100% mehr Komfort. Der Blick aus dem Fenster beruhigt meine nervösen Gedanken, die Tanne des dort wohnhaften Elsternpärchens wirft müde Schatten auf das frisch gemähte Gras, die Birke glitzert und der dritte Baum, dessen Name ich leider nicht kenne (ich nenne sie einfach mal Eiche, von denen haben wir ja hunderte in der Stadt, oder?) versperrt mir die Aussicht auf das Haus vis à vis. Gut so.
Der hässliche, von Sperma- und Wein- und sonstigen Flecken übersäte Spannteppich, der seit 15 Jahren in der Wohnung hauste, wurde eigenhändig und mit viel Schweiss entfernt, das Parkett strahlt in der Abendsonne, der eisgekühlte Braulio schwitzt neben mir auf dem Tisch und auch sonst ist es eigentlich ein ganz guter Montagabend.
Der Frühling ist vorbei, der Sommer ist da, die Hagelstürme der letzten Woche gehören auch hoffentlich der Vergangenheit an. Meine geliebten Balkonpflanzen haben sich immer noch nicht erholt. Doch ich will sie nicht gehen lassen, noch nicht. Mit viel Liebe und Zuspruch gedeihen sie bestimmt. Wie ja alles. Bestimmt.
Meinen Sommer verbringe ich hier, im schönen Zürich. Kein Geld für Städtereisen, kein Geld für Familienbesuch in Finnland, keine Nerven für billigen Strandurlaub, ich bleibe lieber hier. In meinen vier Wänden. Schifflifahren und Spazieren, Kaffee auf grünen Wiesen, Eistee und Balkonabende mit Wein. So soll es sein. Wobei mich die Ferne doch packt, doch ja, vielleicht dann im Winter. Wir werden sehen.
Doch nebst all dem Schönen, was unsere Zwinglistadt zu bieten hat, frisst sie mich auf. Mit all ihren Macken und Verführungen, mit all ihren wilden, durchzechten Nächten schluckt sie den letzten Funken Energie, spuckt ihn aus, roh, ungewaschen. Die ruhigen Sommerabende verwandeln sich nach 2 Drinks im Nu zu wilden Trinkgelagen mit bittersüssen Konsequenzen und alkoholdurchtränkten Küssen, der Tag wird vergessen, verscheucht, wir leben für die Nacht. Wir sind ja noch jung. Oder fühlen uns zumindest so im warmen Schein der Strassenlaterne. Der Braulio hilft.
Liebes Zürich. Geliebte Stadt. Gehasste Stadt. Deine Lichter brennen hell, die Nacht lässt den Tag verschwinden, die zuckenden Lichter der Clubs überfordern die Sinne, Tanz, Trunk, Taumel und Tatendrang. Bis die Sonne wieder aufgeht und wir mit Sonnenbrille und müdem Lächeln im Gesicht nach Hause schleichen. Und so überleben wir, von Nacht zu Nacht, zählen die Tage, ohne zu wissen bis wann, möchten Veränderungen, aber tun doch nix dafür. We want change, aber das soll doch jemand anderes machen, danke.
Der Braulio hilft.
In diesem Sinne widme ich mich nun auch zu 100% meinem Kräutergetränk und dieser wunderbaren Musik, wünsche eine schöne Woche und ein noch schöneres Wochenende. Bis bald.
In diesem Sinne widme ich mich nun auch zu 100% meinem Kräutergetränk und dieser wunderbaren Musik, wünsche eine schöne Woche und ein noch schöneres Wochenende. Bis bald.